Dr. Karsten Brunk: Altstraßen Wetterau
Über historische Straßen und Wege in der Wetterau - Vortrag von Diplom-Geograph Dr. Karsten Brunk beim Friedberger Geschichtsverein
Am vergangenen Donnerstag referierte der Rodheimer Diplom-Geograph Dr. Karsten Brunk beim Friedberger Geschichtsverein über historische Straßen und Wege innerhalb der Transitlandschaft Wetterau. Aufgrund ihrer günstigen Lage zwischen Taunus und Vogelsberg hatte die Wetterau in allen historischen Epochen eine herausragende Bedeutung und wurde regelrecht von einer Fülle von Straßentrassen überzogen.
Einleitend nannte Dr. Brunk die physisch-geographischen Faktoren, die für die Entstehung dieser Verkehrswege in unserer Kulturlandschaft verantwortlich sind: Geologie, Relief, Gewässer, Boden, Vegetation und Tierwelt. In der heutigen modernen Welt muss auch der Mensch als Geofaktor Beachtung finden. Nur durch die vorgenannten natürlichen Faktoren konnten die ersten Naturstraßen als ursprüngliche Wegeverbindungen überhaupt entstehen. Sie wurden über Jahrhunderte hinweg weiter ausgebaut und verbessert, bis sie schließlich in das sogenannte “Kunststraßennetz” der Neuzeit übernommen wurden. Interessant ist, dass innerhalb des Wetterauer Limesbogens bis in die Neuzeit noch zahlreiche Relikte des römerzeitlichen Straßennetzes erhalten geblieben sind und genutzt wurden. Teilweise waren diese sogar qualitativ besser als die späteren Chausseestraßen. Anhand zahlreicher eigener Kartierungen, basierend auf historischen Kartengrundlagen, die bis in das Mittelalter reichen, zeigte Dr. Brunk eindrucksvoll markante Wegeverbindungen in unserer Region auf. Insbesondere in den Wäldern am Ostrand des Taunus lassen sich noch heute tiefe und teilweise breite Trassenverläufe nachweisen, die mit hervorragendem Bildmaterial untermauert wurden. Beispielhaft ist hier die Weinstraße zu nennen, die sich von Ober-Rosbach, Ockstadt über Ober-Mörlen bis nach Ostheim entlang der heutigen A 5-Trasse hinzieht.
Aber auch Abschnitte einer fast vergessenen Geleitstraße südlich von Ockstadt, unmittelbar an der B 455, rief Dr. Brunk in Erinnerung. Es handelte sich dabei um die sogenannte “Marburger Hohl”. Mittels einer Überlagerung verschiedener Karten gelang es dem Referenten sehr gut, einen Plan der “ Schlacht von Friedberg” am 10. Juli 1796 in das heutige topographische Kartenwerk zu übertragen. Dadurch können sehr genau militärstrategische Informationen in die heutige Landschaft transformiert werden.
Für Schmunzeln bei den zahlreichen Zuhörern sorgte Dr. Brunk in seinem mehrfach mit Zitaten von Reisenden bzw. Fuhrleuten über den desolaten Zustand und die mangelhafte Pflege der Straßen, wie z. B. bei der “Neuen Herberge” in Nieder-Wöllstadt, wo an regelrecht im Schlamm versank. Vielfach sei dies aber so gewollt gewesen, damit sich ortsansässige Bauern durch Vorspanndienste sowie Gasthäuser durch Rastmöglichkeiten ein Zubrot verdienen konnten.
Ab 1746 setzte das Zeitalter des Chausseebaues ein, was auch für den hiesigen Raum einen planmäßigen Ausbau des Straßennetzes bedeutete. Dieser war um das Jahr 1860 bautechnisch abgeschlossen. Damit war aber auch je nach Nutzungsart – vom Fußgänger bis zum Ochsengespann – die Zahlung eines Chausseegeldes gegenüber der Obrigkeit fällig.
Nicht unerwähnt ließ der Referent die drei noch in der Wetterau vorhandenen “Stundensteine”, die noch heute an der B 275 als Steindenkmäler entlang der ehemaligen Chaussee von Friedberg nach Selters zu finden sind. Die 22,5 km lange Strecke wird auf der Säule bei Konradsdorf mit 9000 Klaftern bis Friedberg angegeben, was einer Fahrzeit von 6 Stunden gleichzusetzen ist. Die Säulen wurden um 1850 aufgestellt, als die Strecke letztendlich mit Fuhrwerken befahrbar war.
Die Besucher dankten dem Referenten mit langanhaltendem Applaus. Wie sehr die Thematik das Publikum in seinen Bann zog, wurde durch die vielen Nachfragen im Anschluss an den Vortrag deutlich. Wer nun durch diesen Bericht neugierig geworden ist, der kann eine entsprechende Publikation von Dr. Brunk bei der Buchhandlung Bindernagel als Band 69 der Wetterauer Geschichtsblätter käuflich erwerben.
Im Anschluss an den Vortrag ehrte der erste Vorsitzende Lothar Kreuzer langjährige Mitglieder des Geschichtsvereins, von denen Herr Pauschardt (60 Jahre) und Herr Dr. Wunder (40 Jahre) anwesend waren.
Achim Meisinger
Wetterauer Zeitung 11.12.2024