Tim Harz: Neue Ideen für das Rosentalviadukt
Landschaftsarchitekt Tim Harz erklärt beim Friedberger Geschichtsverein seine Visionen
Nebel liegt über dem herbstlichen Friedberg. Und über den grauen Schwaden erhebt sich ein einzigartiges Bauwerk von römischer Größe. Mit einem assoziativen Impuls begann Tim Harz seinen gut besuchten Vortrag über das Rosentalviadukt „als Bindeglied von Region, Stadt und Landschaft“ im Friedberger Klosterbau.
Der Friedberger Geschichtsverein hatte den Landschaftsarchitekten eingeladen, um seine an der Hochschule Geisenheim verfasste Masterarbeit über die städtebaulichen Potenziale dieses einmaligen Denkmals Wetterauer Industriekultur vorzustellen.Ab 1846 im „römischen Stil“ erbaut, fuhr am 01. Dezember 1850 der erste Zug der Main-Weser-Bahn über das Viadukt. 1982 ersetze die noch heute verwendete Betonbrücke die Funktion der „24 Hallen“, die zwar rasch unter Denkmalschutz gestellt, von der Bahn allerdings später an einen Privatinvestor veräußert und dem zunehmender Verfall ausgesetzt wurden.
Die „besondere Ästhetik“ von Stadtbrachen fasziniert Tim Harz. Gerade deshalb hat es ihm die fast ruinöse Romantik des Viadukts in seinem verwilderten Zustand der Gegenwart angetan. In seinem reich bebilderten Vortrag begeisterte der auch als Fotograf tätige Referent das Publikum für den einmaligen Charakter des Bauwerks. Er benannte aber auch die Schattenseiten des heutigen Stadtraums. Am Standort des 1983 abgerissenen alten Bahnhofs befindet sich seit 1983 das Cityparkhaus, das mit dem umgebenden Brachen einen „Angstraum“ für die Stadtbevölkerung darstellt.
Auch das Viadukt selbst ist ungepflegt und verschmutzt, die historischen Blickachsen zur Burg werden von Gewerbehallen und verwildertem Baumbestand gestört.
Aber Tim Harz hat Ideen, dies zu ändern. Vor allem im Bereich Naherholung sieht er Möglichkeiten. Von einem Baumwipfelpfad ist die Rede, von gastronomischem Angebot in der Usa-Aue, von einem Wasserspielplatz oder gar einem komplett neu angelegten Park zwischen Parkhaus und Viadukt mit Bücherei- und Caféwagen. Harz ist klar, dass sich nicht alle Elemente seines Entwurfs in dieser Form umsetzen lassen werden. Aber sie liefern spannende Impulse und Ideen und machen deutlich, dass der aktuelle „Unort“ kein „Unort“ bleiben muss. Wichtig sei es vor allem, das Viadukt nicht allein, sondern als Teil eines zusammenhängenden Stadtraums vom Parkhaus bis zum Burggarten zu begreifen, der als Gesamtstruktur gestaltet werden muss. Gerade die historische Bausubstanz des Viadukts könne allerdings bei vernünftiger Bauwerkinszenierung die Parkanlage prägen und so nicht nur von den Friedberger Bürgerinnen und Bürgern wieder als Wahrzeichen wahrgenommen werden, sondern auch den Tourismusstandort Friedberg stärken.
Nach dem Vortrag kam es bei einer offenen Runde über Zukunftsvisionen und Perspektiven der aktuellen Stadtbrache zu einer emotional geführten Diskussion, die auch den Frust der Friedberger Stadtbevölkerung über den aktuellen Zustand des Bauwerks deutlich machte. Geredet werde seit Langem, Verbesserungen ließen auf sich warten. Dass es sich lohnt, dabei nicht die Zuversicht zu verlieren, hat der anregende Vortrag von Tim Harz eindrücklich unter Beweis gestellt.
Malte Dücker
Wetterauer Zeitung 10.12.2024